Der Tag der Deutschen Einheit – mit großem „D“

Die Zeiten ändern sich.

Dieser Beitrag scheint älter als 13 Jahre zu sein – eine lange Zeit im Internet. Der Inhalt ist vielleicht veraltet.

Man sollte die Feste feiern wie sie fallen. Auch der 3.Oktober ist für mich ein Fest. Weckt er in erster Linie jedoch Erinnerungen. Ein Datum bewegt mich und ich denke über vergangene Zeiten nach. Gedanken sind schwer zu fassen, schwer zu formulieren – ich versuche es trotzdem und vielleicht bewege ich andere zum Nachdenken.
Ich wünsche, ich träume davon, dass man ewig der Einheit und dem Aufschrei davor gedenkt – sowas darf nicht Alltag, darf nicht vergessen werden. Vermutlich wäre es für eine gemeinsames Deutschland besser, wenn man diesen Tag nicht begeht, wenn man einfach eins ist. Aber Geschichte bewegt, Geschichte ist das, was dem Menschen bleibt. Darum gedenkt der Einheit, tauscht euch aus und genießt die Freiheit – in welchen Dimensionen sie auch sein mag. Ich will nicht belehren, ich will erinnern und ich will, das Menschen denken, sich erinnern und dass sie teilen.

Seit nunmehr 20 Jahren ist Ost und West wieder zu einem Deutschland vereinigt – die Menschen sind es nicht. Jeder Mensch ist ein Individuum und darin begründet sich wohl dieser Umstand. Wir können so tun, als merken wir es nicht, aber es gibt immer eine Gruppe unter uns, die es sich anders wünscht, die die Zustände vor mehr als 20 Jahren wieder haben will. Auch wenn dieser Teil kleiner als die anders Denkenden ist, so muss er beachtet werden – auch sie gehören zu unserer Gesellschaft und gehören in unsere Arche.

Vieles was wir in der DDR nicht hatten, hatten wir uns schon vor 20 Jahren erkämpft. Mein Anteil war verschwindend gering – ich war 16 und mich bewegte die neue Art zu sagen, was man denkt. Ich denke immer wieder an die vielen Demos, die Montagsdemonstration und vergleiche gern: Was haben wir erreicht?

Die Euphorie von damals gibt es nicht mehr. Nicht alle Menschen eines gemeinsamen Deutschland zählen zu den Gewinnern der Einheit. Wer arbeitslos ist oder Hartz IV-Empfänger ist, der hat ein anderen Blick auf das Jetzt als die Menschen, die einen sicheren Arbeitsplatz mit Gewerkschaft und Tariflohn haben. Nichts ist vollkommen – auch nicht unser gemeinsames Deutschland. Es gibt viele Themen die angegangen werden müssen, vermutlich sogar schneller und zielstrebiger als das bisher in der deutschen Politik gelebt wurde. Trotzdem ist es für mich besser als in der DDR. Ich möchte keine meiner Erfahrungen missen. Ich bin dankbar, dass ich hier leben darf und hier geboren wurde. Anderen Menschen auf dieser Welt geht es weniger gut und sie können zum Teil nichts dafür – denke ich nur an die Kinder. Daher sollten wir nicht nur feiern, wir sollten uns austauschen und wir sollten uns erinnern an den Alltag in der DDR – wir war er wirklich, ohne einen getrübten Blick der Ostalgie. Vieles, so meine ich, auf das wir heute wehmütig zurück blicken, sind keine Errungenschaften der DDR oder gar der SED-Führung, sondern es sind lediglich Reaktionen auf die Schwächen des Staates. Ich sehne mich nicht zurück, kein Grund bewegt mich dazu. Ich feiere die deutsche Einheit, wenn auch mit Erinnerungen und Austausch und weniger dem gemeinem Partybild.

Wir haben Verantwortung, eine Verantwortung für das zu Kämpfen, jenes zu erhalten, an das wir glauben und für das die Einheit stehen sollte – ein Ergebnis, welches durch die Menschen erreicht wurde und nicht nur durch die Politik. Um so wichtiger sehe ich es heute, dass wir nicht nur zusehen und kritisieren – wir sollten gestalten, mitreden und der Politik zeigen, was wir wollen, wohin wir wollen. Und nun begeht euren Feiertag, den Tag der Deutschen Einheit – seit 1990 mit großem „D“ …

Von Frank Bültge

bueltge.de [by:ltge.de] wird von Frank Bültge geführt, administriert und gestaltet. Alle Inhalte sind persönlich von mir ausgewählt und erstellt, nach bestem Gewissen und Können, was die Möglichkeit von Fehlern nicht ausschließt.