Transcimbrica

Die Zeiten ändern sich.

Dieser Beitrag scheint älter als 4 Jahre zu sein – eine lange Zeit im Internet. Der Inhalt ist vielleicht veraltet.

Schreiben, was war das nochmal? Schreiben im Blog, da war doch was. Früher war Schreiben aufarbeiten, Teilen und Mitteilen. Heute ist es oft Arbeit. Der Blog kommt zu kurz, die Ablage von Erlebten sowieso. Aber Eva findet es bedauerlich und so hole ich nach, was ich schon lange machen will – Andenken Transcimbrica.

tl;dr

Ich war da mal Rad fahren, die kimbrische Halbinsel hoch und runter – Transcimbrica – nach dem Routenplan der Transcimbrica Macher für fünf Tage unterwegs. Der Wind …

Transcimbrica 2020

Dabei sein ist alles

Diese Tour ist nicht neu im Kalender der Langstrecken-Enthusiasten. Sie fand in 2020 zum fünften Mal statt. Ihr guter Ruf als Herausforderung im Wettstreit mit den Elementen eilt ihr voraus. Ebenso der gute Ruf der Veranstalter, Nordgesichter mit Humor und Wind im Gesicht. Ebenso ist sie eine Tour, die sehr früh im Kalender des Jahres steht und wenig Konkurrenz von anderen Terminen erfährt. Und das war der wichtigste Punkt für mich die Anmeldung abzusenden und schließlich dabei zu sein. Das war auch mein Ziel, dabei sein, ausspannen vom Alltag und Fokus auf wenige notwendige Dinge: unterwegs sein, Essen, Essen, Essen … ab und an Menschen.

Die Transcimbrica hat nicht wenige Abschnitte, die einem Rennradreifen zusetzen können und so entschied ich mich im Vorfeld für diese Tour das neue Rad fertig zu haben und den Komfort von 40 mm breiten Reifen zu nutzen. Bisher war ich immer auf 25 mm unterwegs, was ich für diese Tour als wenig optimal erachtet habe. Seit dem Winter 2019 ist der Plan ernst, ich spreche mit dem Rahmenbauer und baue Ende 2019 auf. Dabei gibt es immer wieder die eine oder andere Herausforderung. Auch das gilt es zu lösen und am Vortag der Reise zum Start in Hamburg ist das Rad einsatzbereit, wenn auch nicht final fertig nach meinen Vorstellungen. Ich habe auf dem Rad damit ca. 100 km im Sattel. Reichlich wenig um eine Tour von rund 1400 km zu fahren und nicht unterwegs neue Erkenntnisse zu bekommen. Aber ich will nicht absagen, ich will fahren und damit auf nach Hamburg.

Der Start der Transcimbrica findet Nachts statt, genau 0:01 Uhr. Insofern ist im Vorfeld Zeit und diese wurde in diesem Jahr mehrfach genutzt. Ein Vorabtreffen zu Labskaus mit einigen Teilnehmern und am Start Getränke, mit mehr Teilnehmern. Die Stimmung ist gut, wie immer bei solchen Events. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass diese Art des Sports eine gewisse Grundeinstellung bedarf, die man nur bei freundlichen Menschen antrifft. Danke dafür, denn nur so konnte ich die vielen lieben Kontakte im Laufe der Jahre schließen. Kontakte ohne Verpflichtung und trotzdem immer herzlich und offen.

Nun schreibe ich, denke trotzdem immer wieder über die aktuelle Situation nach. Corona, Covid19 – alles anders. Ich bin wenig betroffen, habe Arbeit und Verpflichtungen. Niemand in meinen Teams muss sich fürchten. Hier und da mal weniger, aber nichts zum Angst haben. Danke dafür! Ich genieße die Entschleunigung, sehe sie positiv, erinnert es mich doch an die Transcimbrica, die ähnliche Effekte hat – Fokus auf wenig.

Irgendwann ist der Start aber da. Gut so, denn es wird kalt und zu viel Bier zwingt zu mehr Stops. Ein paar Worte der Veranstalter, ein 1-Hilfe-Flasche für unterwegs und jeder zieht seiner Wege. Ab nun ist man unterwegs, der Grund für die Anreise und die Zeit.

Erste Hilfe

Es rollt in die Nacht und die Eindrücke können nicht gleich fruchten. Zu viel ist noch im Kopf, zu viel ist noch vor mir. Gerade am Anfang ist es sehr bunt, schnell und hektisch, unsortiert und unwirklich. Aber bald findet sich alles, denn es ist ausreichend Zeit sich um das Unterwegs sein kennen zulernen. Gespräche am Abend und Gedanken um die Technik, die Utensilien begleiten mich und so finde ich meinen Weg. Ich habe einige Sorgen mit den Reifen, die immer wieder Luft verlieren. Also ab und an Stop und Pumpen. Bis km 90 geht es so, man führt kurze Gespräche und ist wieder allein. Vorwärts, ich finde schon eine Lösung für die Reifen.

Ich bin Tubeless unterwegs, erstmalig. Meine Kenntnis dazu hält sich in Grenzen und nur theoretisches Wissen sorgt sich um die Reifen und Sorgen. Du musst fahren, die Milch muss sich verteilen, mehr, mehr fahren, zu wenig km im Voraus.

Bei km 90 lerne ich Frank E. kennen. Er fährt ein neues Rad, Titan Rahmen, fast identische Reifen und Optik. So kommt man ins Gespräch. Wir haben den gleichen Vornahmen und wissen um SAP. Da kommen noch andere Gemeinsamkeiten, die wir erfahren und austauschen, denn wir bleiben bis zum Ende zusammen, so dass ausreichend Zeit für Gespräche bleibt. Aber erstmal ist keine Zeit mehr. Denn mitten in der Nacht steht ein Pärchen am Weg und hat sich aufgemacht uns Teilnehmer zu versorgen, anzufeuern. Morgens, 3 Uhr morgens, stehen da bei 0 °C zwei Menschen und haben warme Getränke, lecker handgemachtes Essen, Süßes, Obst und noch dazu Technik, bspw. Dichtmilch für Tubeless Reifen. Ich kann es kaum fassen. So viel Menschlichkeit in der Nacht. Den warmen Tee fülle ich mir ein und die Milch bekommen meine Reifen. Ab nun läuft es, keine Sorgen mehr.

Frank E. und ich bleiben zusammen. Es passt. Das ist selten, findet man doch selten das gleiche Tempo und Vorstellungen für das Vorwärtskommen. Wir haben schnell den gleichen Konsens, Hotel oder Biwak, Essen oder Weiter, es läuft und soll auch bis zum Ende der Tour so bleiben. Vielen Dank Frank E., dass ich dich kennenlernen durfte. Ob Reden oder Schweigen, nichts ist peinlich.

Die Transcimbrica glänzt nicht gerade mit Höhenmetern. Es sind vor allem die langen Etappen auf welligem oder ebenen Gelände. Man fährt an der Küste nach Norden und durch das Inland zurück. Nicht nur die Küstenstraßen versuchen einem den Wind schmackhaft zu machen. Die Schieflage macht Arbeit und ist der Wind von vorn, dann reicht die Kraft nur noch zum Schimpfen. Frank E., Zögling des Hamburger Raums, berichtet

Der Wind sind unsere Berge.

Ich kann die Aussage verstehen. Im Laufe der Reise toleriere ich sie nicht mehr. Wind ist kein Gegner, keine Herausforderung, er ist einfach da, willkürlich und unsichtbar beim Anschleichen. Aber Humor hilft.

Regen und Wind schlagen nachhaltig zu, bei Daueranwendung

Die Tour ist trotzdem eindrucksvoll. Neben dem Wind gibt es ganz viele andere Sachen zu entdecken. Weite hat immer seinen Reiz, Einsamkeit und die raue Küstenlandschaft sind toll. Ich werde trotzdem kein Fan dieser Radreisen. Man sitzt einfach zu viel im Sattel, wenig Wiegetritt und wenig Abwechslung. Da lobe ich mir Thüringen Erfahren. Aber die Vielfalt im Kopf kommt von der Vielfalt des Erlebten.

Neben dem Wind gibt es dann noch den Regen.

Es sind die besonderen Momente die in Erinnerung bleiben, entweder besonders schöne oder besonders harte Momente. Alle haben ihren Reiz und ich möchte Erfahrungen nicht missen, solange ich rückblickend darauf schauen kann und keine nachhaltigen negativen Spuren hinterlasse. Bei der Transcimbrica haben sicher die Elemente Wind und Regen einen nachhaltigen Einfluss auf die Erinnerung. Beide Elemente gehören dazu, ob gemeinsam oder einzeln schlagen sie zu, nicht selten für lange Zeit. Insofern für Nachahmer, darauf muss man gefasst sein.

Aber wir hatten auch schöne sonnige Seiten, konnten das warme Trikot offen fahren und die Sachen immer wieder trocknen. Abwechslung durch die Elemente ist gegeben. Die anderen Seiten werden durch viele anderen Themen erfüllt. So lerne ich neben Frank E. noch Alex den Richter und Jost etwas besser kennen, auch wir bestreiten einige Meter gemeinsam. Nur ab und dann, aber immer wieder, da Alex sein Rhythmus ganz anders als der Meine ist.

Wendepunkt im Norden erreicht

Es gibt noch mehr Kontakte und Austausch, es gibt viele Eindrücke und zu viel im Kopf was nicht in die Sätze passt. Das Gesamtbild und die Erinnerung zählt.

5 Tage

Wir waren fünf Tage unterwegs, haben Menschen kennengelernt. Haben uns selbst erfahren. Wir sind den Elementen getrotzt und haben viel ausgeblendet. Kurz nach der Ankunft in Hamburg, 1400 km liegen hinter uns, ist eine neue Ära angebrochen, Isolation wird großgeschrieben. Die Pandemie hat uns eingeholt. Auf der Tour haben wir es nur beiläufig verfolgt und bevor die Grenzen zu sind dürfen wir ein großes Erlebnis mit nach Hause nehmen. Noch heute, zwei Monate später erinnere ich mich gern, erlebe noch immer Momente für mich, habe noch kleine körperliche Erinnerungen und lerne wieder, dass es so viel wichtige Sachen im Leben gibt, die mir wichtig sind, aber nicht immer präsent.

Vielen Dank an das Orga-Team, toll gemacht! Vielen Dank an die tollen Kontakte. Vielen Dank an ein freundliches Land, dass mir einige schöne Ecken aufgezeigt hat – auch wenn ich den Bergen wohl eher treu bleiben will. Vielen Dank an Frank und Alex, dass ich euch kennen lernen durfte und an den Abschluss nach der Tour!

Daten

Von Frank Bültge

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